Zillertaler Bergführer
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Mit der Postkutsche zu den Zillertaler Bergen 1891

Lindthal und seine Bergführer - Simon Fankhauser 1887

„Von Mayrhofen aufwärts, wo sich das breite Tal in eine Reihe enger, steilwändiger Schluchten gabelt, wird es grob und schauerlich. In Richtung der berühmtesten dieser Schluchten, dem Zemmgrund, wandern wir. Die Fahrstraße endet hier, die Kulturwelt hinter uns versinkt. Wir spüren es am Harzduft aus dem Felsenwald, an der Gletscherluft, die durch die Wipfel spielt, am Schaum des tosenden Eisbachs links von uns und an der stillen Einsamkeit ringsum. Nur einmal unterbricht eine Oase von Grün die Wildnis des Bergwaldes – Lintthal heißt diese Oase.“

Mitte des 19. Jahrhunderts fügten sich viele Entwicklungen, die bis heute spürbar sind, zu einer für den Tourismus förderlichen Gesamtheit zusammen. Ursprünglich entstanden Strukturen wie das Postwesen aus ganz anderen Aufgaben, entwickelten sich aber über die Zeit zu entscheidenden Hilfen für Reisende. Die ersten Postzusteller durchquerten die Seitentäler Tirols zu Fuß, wenig aufmerksam für deren Schönheit. Ab 1770 wurde das Postwesen verstaatlicht und größtenteils auf Pferdefuhrwerke umgestellt, wodurch auch entlegene Täler erreichbar wurden.

Die Überwindung der fast 40 Kilometer langen Strecke von Jenbach bis Mayrhofen war Mitte des 19. Jahrhunderts zeitaufwendig. Postkutschen erleichterten bald nicht nur den Postverkehr, sondern auch den beginnenden Tourismus. Neu errichtete Poststellen in Gasthöfen verbanden Ankunft und Unterkunft optimal. Schon 1783 verzeichneten Karten den Gasthof Lindtal („Hochstegen“) als Endpunkt ausgebauter Straßen – fortan Ausgangspunkt für Unternehmungen in den Zemmgrund, weiter in den Pfitschergrund und das heutige Südtirol. Ein gut errichteter Fußweg führte nach Ginzling; das Gepäck der Gäste, damals meist große Reiskoffer, wurde von einheimischen Trägern übernommen.

Diese Träger entwickelten sich zu jungen Bergführern, die durch den engen Kontakt mit Gästen das Bergführerhandwerk lernten. Lindtal, früher „Lintthal“, wurde zum letzten bequem erreichbaren Punkt auf dem Weg ins Hochgebirge. Für die Namensgebung orientierte man sich weniger an Familien-, sondern an Hof- oder Hausnamen: So wurden die „Lindthaler“ zu gefragten Begleitern und späteren Bergführern. Ihre Stärke lag nicht nur in Ausdauer und Ortskenntnis, sondern auch im sicheren Umgang mit Gästen.

Die touristische Entwicklung profitierte von Weitergabe vertrauenswürdiger Kontakte über Handel hinaus – auch im Bergführerberuf. Kriterien wie Mut, Geländetauglichkeit, Loyalität und Hilfsbereitschaft fanden später Erwähnung in Bergführerbüchern. Unter diesen Bedingungen traf Johann Grill jun., bekannt als „Kederbacher“ aus Ramsau, in Lindthal ein. Sein Vater, der erste deutsche Bergführer, erlangte Berühmtheit durch die Erstbegehung der Watzmann-Ostwand.

Hans Grill „Kederbacher“ setzte die Tradition fort: Im August 1892 kam er mit Walther F. Kendrick aus Birmingham nach Lindthal und bestieg gemeinsam mit Simon Fankhauser am 18. August den anspruchsvollen Nordwestgrat des Turnerkamp – ein Meilenstein alpinistischer Leistung in den Zillertaler Alpen.

#365 Tage Freude am Berg