Zillertaler Bergführer
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1865 Erste behördliche Bergführerverordnung in Tirol

Die rechtliche Verankerung des
Bergführer ist geboren
11. Mai 1865

 

38.
Verordnung der k. k. Statthalterei vom 11.Mai 1865
(Nr. 11853 – Gewerbe)
betreffend die Regelung des Bergführerwesens.

Anläßlich der gestellten Anfrage, ob das Geschäft der Bergführer als ein konzessionirtes Gewerbe zu behandeln und sofort der Gewerbesteuer zu unterziehen sei, fand das k. k. Staats=Ministerium im Einvernehmen mit dem Polizei=, dem Finanz=, und dem Handels=Ministerium mittelst Erlasses vom 5. Mai 1865 Z 1810 auszusprechen, daß die Beschäftigung der Bergführer, da sie gewöhnlich nur gelegentlich und vorübergehend, daher nur als ein präkerer Nebenverdienst ausgeübt wird, in der Regel als kein Gewerbe anzusehen sei und der Gewerbesteuer nicht unterliege, wodurch nicht ausgeschlossen wird, daß wo diese Beschäftigung ausnahmsweise als ein selbstständige Unternehmung förmlich gewerbsmäßig betrieben werden sollte, auf dieselbe die Bestimmungen der Gewerbeordnung, insbesondere jene das §. 16 Abs. 4 der Gewerbeordnung und in Folge dessen auch die Gewerbesteuer=Vorschriften angewendet werden.

Durch die über diese Frage gepflogenen Verhandlungen und das den Letzteren zum Grunde liegenden Ansuchen des österr. Alpenvereins sah sich das k. k. Staats=Ministerium jedoch veranlaßt, im Einvernehmen mit dem Polizeiministerium folgende Anordnungen zur Regelung des Bergführerwesens zu treffen:

1) In jenen Gegenden, welche von Reisenden häufig besucht werden und wo sich das Bedürfnis nach Bergführern herausgestellt hat, haben die politischen Bezirksbehörden denjenigen, die darum, wenn auch nur mündlich ansuchen und von deren Befähigung zum Bergführergeschäfte, nämlich von deren genügender Erfahrung, Verläßlichkeit, genauer Ortskenntniß und physischer Tauglichkeit sie sich in geeigneten Wegen überzeugt haben, ein Bergführerbuch zu verabfolgen.

2) Dieses Buch hat dem Betreffenden als Ausweis zu gelten, daß er von der Behörde als zur Ausübung der in Rede stehenden Beschäftigung geeignet erkannt worden ist.

3) Es gibt ihm zwar kein ausschließendes Recht gegenüber solchen, die ein Bergführerbuch nicht erwirken, allein da es den Charakter eines behördlichen Zeugnisses hat, so wird es einerseits dem reisenden Publikum die so sehr gewünschte Garantie der Verläßlichkeit des damit Betheilten und dem Letzteren alle Vortheile einer behördlichen, zur allgemeinen Kenntniß gebrachten Beglaubigung gewähren.

4) Das Bergführerbuch ist zu parafiren, hat die Personenbeschreibung des Bergführers, den Tarif, die Bergführerverordnung und eine größere Anzahl von weißen ( nicht durch Linien eingetheilten) Blättern zu enthalten, die Letzteren zum Zwecke, damit Zeugnisse von den Reisenden eingetragen werden können. Es ist den darum Ansuchenden im Bestehungs=Preise zu erfolgen, und die Bezirksbehörde hat überhaupt darauf zu sehen, daß den Bewerbern hierum anläßlich ihres Einschreitens so wenig Auslagen als nur möglich gemacht werden.

5) Das Bergführerbuch ist über Verlangen dem Reisenden, dem Gemeinde=Vorsteher und der politischen Bezirksbehörde vorzuweisen.

6) Die Namen der mit Bergführerbüchern versehenen Bergführer sind in angemessener Weise zu veröffentlichen und insbesondere in den Gasthöfen, Wirtshäusern, Bahnhöfen, auf Dampfschiffen u. durch Anschlag kund zu machen, damit die Reisenden in der Kenntniß kommen können, daß in einem bestimmten Orte oder Bezirk behördlich legitimirte Führer sich befinden.

7) Wenn die politische Bezirksbehörde aus den in dem Bergführerbuche eingetragenen Zeugnissen oder in sonstiger Weise sich überzeugt, daß der Bergführer die Vertrauenswürdigkeit oder die körperliche Tauglichkeit verloren hat, so hat sie ihm das Bergführerbuch abzunehmen und zu veranlassen, daß sein Name unter den durch Anschlag bekannt gegebenen Führern nicht mehr erscheine.

8) Ein sehr wesentlicher Bestandtheil eines ordentlichen organisirten Bergführerwesens macht die Feststellung des Tarifes aus. Es ist derselben sonach ein besonderes Augenmerk zuzuwenden. Daß die Tarife klar und deutlich, mit der durch die Lokalverhältnisse gebotenen Spezifikationen abgefasst werden müssen, bedarf keiner besonderen Erwähnung. Ebenso bringt es die Natur der Sache mit sich, daß in der Beziehung die Beurtheilung der Lokalbehörde zunächst entscheidend ist. – Nur um auf eine für das reisende Publikum so sehr erwünschte Uebereinstimmung hinzuwirken, wird hier Folgendes zur Richtschnur vorgezeichnet:


9) Die Führer sind aufgefordert, daß sie ihre Wahrnehmungen über Wege und Unterkünfte der Bezirksbehörde entweder unmittelbar oder durch den Gemeinde=Vorsteher anzeigen, damit wegen der vorgekommenden Uebelstände die thunlichst Abhilfe geschafft werden könne.

10) Streitigkeiten zwischen Reisenden und ihren Führern sind mit Ausnahme der dem kompetenten Gerichte vorbehaltenen zivilrechtlichen Klagen bei dem nächsten Gemeindevorsteher oder bei der nächsten politischen Bezirksbehörde anhängig zu machen.

11) Aus den vorstehenden Bestimmungen ist dasjenige, was hiezu geeignet ist, mit den entsprechenden Weisungen über das Benehmen der Führer und den etwa für nöthig erachteten lokalen Verordnungen, insbesondere für Gegenden, welche sich eines zahlreichen Besuches von Reisenden erfreuen, in eine Bergführerverordnung zusammenzufassen und diese ist nicht nur angemessen kundzumachen, sondern auch, wie oben erwähnt, in die Bergführerbücher und zwar in der Landessprache und in französischer Sprache aufzunehmen. Solche Bergführerverordnungen sind vor ihrer Kundmachung der k. k. Statthalterei vorzulegen.

Uebrigens versteht es sich von selbst, daß bestehende Einrichtungen, wo sie sich wirklich bewährt haben, bei der Durchführung dieser Anordnung thunlichst zu berücksichtigen sein werden. Hievon geschieht die Verlautbarung zum Wissen und zur Danachachtung.

#365 Tage Freude am Berg