Zillertaler Bergführer
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Georg Samer


1828 – 1912
„Stuaklauber Joseler“

Mineraloge,
Erschließer der Zillertaler Alpen

So vielseitig seine Namengebung von Georg Samer wie er bürgerlich heißt ist, von „Stuklauber“, „Stuaklauber Joseler“, „Joseler Jörgl“ oder einfach „da Joseler“ so bewegt und vielschichtig war sein Leben. Die einzelnen Stationen und Tätigkeitsbereiche vom Joseler wurden bereits 1949 von einem unbekannt bleiben wollenden Zillertaler Bergführer festgehalten und in der Zillertaler Heimatstimme wiedergegeben. Darum soll dieser Bericht nur um ein paar Gedanken zu diesem großartigen Menschen erweitert werden. Da Joseler hatte nie, um eine damals bereits möglich gewesene Konzessionierung, als Bergführer bei der Behörde angesucht, zurzeit Joselers eher ein formaler Akt als ein großer Ausbildungsweg. Joseler verfolgte seine Leidenschaft und steckte seine Lebensenergie in die Mineralogie. Es ist im naturell der Menschheit am höchsten Punkt zu stehen, darum ist es durchaus vorstellbar, dass der Joseler im Rahmen seiner mineralogischen Unternehmungen einfach beim „Stuasuachn“ so manchen Gipfel bereits besucht hatte. Dieses verheimlichte Wissen um die Gipfelanstiege für sich behielt und den Gipfel als Nebengeschäft gerne an die „bergsteigenden Erstbegeher“ nochmals verkaufte, diese Art des Rums war dem Joseler scheinbar nicht wichtig. Warum nicht Bergführer? Und „nur“ Mineraloge, eine schlüssige Erklärung wäre, dass die weit über die Grenzen des Zillertal hinaus große Bekanntheit vom Joseler mit seinen Gesteinsfunden zusammenhängt, dass über den Weg der Mineralogie Joseler mit der wohlhabenden Gesellschaft zusammentraf und von dieser ob seines autark angeeigneten mineralogischen Wissens auf Augenhöhe behandelt wurde, und er so mit weiteren Empfehlungen zu sehr guten Kunden kam. Die gesamte Erschließung der Zillertaler Alpen dauerte über 30 Jahre, das touristische Kundenaufkommen dementsprechend. Den Lebensunterhalt aus dem Erlös der mineralogischen Funde, mineralogischen Exkursionen, die der Joseler mit Studenten im Zillertal bereits durchführte bis zu den Einnahmen aus der Führertätigkeit sollte in Summe gesehen eine Möglichkeit gewesen sein, den Lebensunterhalt davon bestreiten zu können, zumal der Joseler als genügsamer Mann beschreiben wurde. Sein nach heutigem Ermessen größter Verdienst ist jedoch, die Tatsache das der Joseler bereits im ersten Drittel des 18. Jhdt. Mit seinen Begleitungen bei Erstbesteigungen und weiteren Führungen Bergsteiger in den Zillertaler Alpen glücklich gemacht hat und jeder für sich mit schönsten Erinnerungen in seine Heimat zurückkehrte.

Noch viele in Mayrhofen erinnern sich der „alten Ruebe“, jener liebenswerten 100jährigen Anna Samer, die 1933 anläßlich des ihr zu Ehren veranstalteten Festzuges „100 Jahre Zillertal“ per Landauer, an der Seite des damaligen Bürgermeister Johann Geisler, in einem wahren Triumphzug durch Mayrhofen geführt wurde. Sie starb am 13. April 1934 und war eine Schwester jenes heute schon beinahe sagenhaft gewordenen Steinklaubers Georg Samer, genannt „Joseler“ in Ginzling, dessen Lebensbeschreibung aus der Hand eines alten ehemaligen Dornauberger Bergführers wir in drei Folgen unserer „Heimatstimme“ wiedergeben:

1. Der Mineraloge

Georg Samer wurde im Jahre 1828 in Finkenberg im Zillertal geboren. Sein Vater, Josef Samer, stammte aus dem Ahrntal, man nannte ihn deshalb das „Oirer“ (Ahrner) Josele, und seine Kinder, Georg und dessen zwei Schwestern, die Joseler. Als im vorigen Jahrhundert die Kupferbergwerke im Ahrntal wegen der amerikanisch=englischen Konkurrenz unrentabel wurden und daher aufgelassen werden mußten, sind viele Männer von dort ins Zillertal ausgewandert, um sich bei Bauern als Dienstboten zu verdingen. So auch der Vater des Georg Samer.

Die Familie übersiedelte von Finkenberg nach Dornauberg wo auch Georg aufgewachsen ist. Er war als „Josal Jörgl“ bekannt, für gewöhnlich wurde er nur „Joseler“ genannt und war ein wegen seines biederen Charakters von jedermann geachteter Junggeselle.

Von seinen Verhältnissen und Erlebnissen sprach Jörgl selten. Nur einigen wenigen Vertrauten gegenüber, zu denen auch der Vater des Schreibers dieser Zeilen gehörte, war er aufgeschlossener. Da er in unserer Nachbarschaft wohnte, kam er an den langen Winterabenden oft auf den „Heimgarten“. Solange die jüngeren Geschwister auf waren, redete er nicht viel. Wenn er aber mit meinem Vater allein war und mich schlafend auf der Ofenbank wähnte, habe ich manches aus seiner Vergangenheit erlauscht. Mit freudigem Behagen erzählte er öfters, wie er Mineraliensammler wurde.

Die ersten Mineralienfunde habe er im Floitental gemacht, als er dort als halbwüchsiger Hüterbub war. Unter einer Felswand entdeckte er eine Höhle, in der er aus Neugier hineinschaute und darin die ersten Amethyste fand. Es waren so viele, daß er sowohl die Hosen- und Jankertaschen als auch die „Lecktasche“ voll bekam. Die Kristalle hatten sich von der Decke losgelöst und lagen in der Erde, die das Regenwasser in die Höhle eingeschwemmt hatte. Auf dem Heimweg begegnete ihm ein Fremder, der die glitzernden Kristalle aus seinen Taschen ragen sah. Jörgl mußte seinen Schatz auf dem Rasen ausbreiten und der Fremde griff begierig und sehr interessiert nach den Kristallen. Er bot dem Jörgl weit mehr dafür, als sein Hüterlohn ausmachte. Der Fremde war ein Geologe, dessen Namen ich mir nicht gemerkt habe. Er spornte den Jörgl an, weiterhin nach Mineralien zu suchen, alles bis zum nächsten Sommer aufzubewahren, wann er wiederkommen und ihm dann alles abkaufen werde.

Dieser erste Erfolg regte den Jörgl mächtig zum eifrigen Suchen an. Er brachte bis zur Wiederkehr des Käufers eine nette Sammlung der verschiedensten Mineralien heim. Seine Suchwerkzeuge waren ein alter, zerschlagener Dengelhammer und eine Zinke einer geschmiedeten Mistgabel als Meisel. Oefters sei er zum Melken zu spät heimgekommen, weshalb der Melker aufgebracht war und bemerkte, es seien dem Hüter die „Stoanbrockn“ lieber als das Vieh.

So ist es begreiflich, daß sich Jörgl bald ganz auf die Mineraliensammlerei verlegte. Zu Joseles Zeiten waren die funkelnden mineralischen Schätze aber auch noch viel häufiger zu finden als heute. Er lernte schon früh Adolf Pichler, einen der berühmtesten Geologen unserer Tiroler Heimat, kennen und später auch viele andere namhafte Geologen und Mineralogen des In- und Auslandes.

Durch seine Sammeltätigkeit und dadurch rasch vervollkommneten Kenntnisse erwarb sich „Joseler“ einen weiten Ruf in der mineralwissenschaftlichen Welt, zumal sich gerade zu seiner Zeit viele Männer aus Gelehrtenkreisen als Hochgebirgspioniere für die bisher kaum begangene Zillertaler Bergwelt interessierten. So wurde der heute noch berühmte Geheimrat Prof. Dr. Friedrich Becke, Generalsekretär der Akademie der Wissenschaften in Wien und später deren Präsident, auf Georg Samer als verständigen Schatzgräber aufmerksam und führte mehrere Sommer hindurch eine aus seiner Hörerschaft bestehende Expedition in der sich auch Mineralogen aus Japan und China befanden, zu unseren berühmt gewordenen Landsmann nach Ginzling. Als Jörgl in seinen alten Tagen trotz seiner überaus bescheidenen Lebensweise in unverschuldeter Not geriet, war es Geheimrat Prof. Dr. Becke, der im Kreise seiner Professoren und Freunde eine Sammlung veranstaltete, deren Ergebnis unser Medizinalrat Dr. Lambert Raitmayr als Treuhänder übernahm und damit den „Alten vom Berge“ jeglicher Sorgen enthob.

Wie Georg Samer öfters erzählte, war er mehrmals im Winter bei bedeutenden Geologen zu Gast und bekam von ihnen Unterricht. Auf diese Weise hat er sich erstaunliche Fachkenntnisse angeeignet.

Ueber die Fundorte der einzelnen Mineralien wußte er nicht nur im Zillertal, sondern weit darüber hinaus wie kaum ein anderer Bescheid. Wenn im Frühsommer in den Klammen und Schluchten die Lawinen zu apern begannen, da hielt es auch den „Joseler“ nicht mehr daheim und man sah ihn mit dem eigentümlichen, für den Zweck bestimmten, von ihm selbst hergestellten Korb auf den Rücken, losziehen. Niemanden verriet er, wohin sein Weg ginge und wie lange er ausbleiben würde. Da er ledig blieb, sorgte sich weder Frau noch Kind um ihn. Aber seine Mutter, die im Alter vollständig blind war, wußte wohl das ihr Jörgl irgendwo den Gefahren der Berge ausgesetzt sein würde und „segnete“ jeden Morgen vom Söller zu „Lippmastl“ wo sie beim Lehrer und Bauer Sebastian Hörhager in Pflege war, nach allen Himmelsrichtungen. Sie ist über 100 Jahre alt geworden, die „Blinde Ruebe“, für deren Unterhalt ihr braver Sohn durch viele Jahre aufgekommen ist. Wenn er sie nach längerer Abwesenheit wieder einmal besuchte, war es rührend zu sehen, wie sie sich darüber freute, seinen Körper, seine Glatze und seinen Schnurrbart betastete und ihren Jörgl liebkoste.

Gefährlich bei seiner Arbeit war nicht nur das Klettern allein, ohne Seil in den Schluchten und Felswänden, sondern sein ärgster Feind war der Steinschlag.

Schmunzelnd äußerte er sich manchmal, es habe über ihm schon hübsch oft „brastln“ angefangen und er hätte sich halt dann schnell irgendwo „zuehn geduckt“ und es sei „oft olm ols drübraus gongin sche, sche!“, wie er zu lachen pflegte.

Seine Sammeltätigkeit erstreckte sich auch auf Gebiete außerhalb des Zillertales, so insbesondere auf das an Mineralien reiche Pfitschtal und auf das Gebiet der Seiser Alpe, wo er sich oft monatelang aufhielt und stets mit seltenen, wertvollen Mineralien heimkehrte. Die reichste Ausbeute soll er in den Jahren 1865 bis 1880 gemacht haben.

Den Wert seiner gesammelten Mineralien kannte er sehr wohl und Schreiber dieses konnte aus dem Munde eines Käufers, der sich bei uns nach Georg Samer fragte, hören, daß es völlig unmöglich sei, von Georg Samer etwas unter dem Wert zu bekommen. Mit seinen Ersparnissen hatte Jörgl leider kein Glück. Er lieh mehrere tausend Gulden einem

2. Der Bergführer

Georg Samer ist nicht nur als Mineraliensammler, sondern ganz besonders als Erschließer der Zillertaler Alpen früh bekannt geworden. Auch die Einheimischen schätzten in seinen jungen Jahren als den besten Felskletterer seiner Heimat. Bei Gemsjagden hat man ihn mit „Geiner Joggl“ und „Schneider Jörgal“ zu den schwierigsten Treibergängen eingesetzt. Ein alter, längst verstorbener Jäger sagte: „Wo der Joseler nimmer kemmen ist, ist kuar mehr kemmen “ und etliche Auf- und Abstiege seien seit dem Joseler nie mehr bei Jagden begangen worden.

Es ist daher nicht verwunderlich, daß der Joseler von den Einheimischen auch den ersten Touristen, die in den Fünfziger= und Sechzigerjahren ins Tal gekommen sind, für die Erstbesteigungen der Zillertaler Berge als Führer empfohlen wurde. Er hat sich später, ohne danach gefragt worden zu sein, nie über seine Erstbesteigungen geäußert, aber wenn man die Rede darauf brachte, betonte er mit Nachdruck, daß er sich schon auf der Suche nach Mineralien gelegentlich Gedanken darüber gemacht habe, von welcher Seite die Berge am günstigsten zu ersteigen wären. „Wenn i amol a Tur übernommen hob, oft hu i längst gewüscht (gewußt), wo`s am besten aufn geat!“

Einige leichtere Zillertaler Berge sind gelegentlich der militärischen Landeaufnahme Tirols 1852 zum ersten Male bestiegen worden, so auch der Schwarzenstein von Süden her über den Rotbachferner.

Erstersteigung des Schwarzensteins und Trippachsattels
Die erste touristische Ersteigung des später ungemein oft begangenen Schwarzensteins erfolgte von der Zillertaler Seite unter Führung Georg Samers im Jahre 1858 von den drei Touristen Dr. A. v. Ruthner, Prof. Josef Daum und Prof. Ludw. v. Barth von der Schwarzenstein=Alpe aus.

Der Joseler war damals 30 Jahre alt. In der darauffolgenden Zeit unternahm Georg Samer öfters Führungen auf und über den Schwarzenstein, auch mit Abstieg nach Luttach und Taufers. Daß schon damals die Sicherungsmaßnahme des Anseilens auf dem Rückweg außer Acht gelassen wurde, davon zeugt auch ein Erlebnis Jörgls. Jörgl Samer und der Förster Hartler hatten eine Partie über den Schwarzenstein geführt und traten, ohne sich auf den Gletscher anzuseilen, den Rückweg an. Der sogenannte Schwarzensteinsattel, der dem Schwarzenstein auf der Nordseite vorgelagert ist, bildet eine von Süden nach Norden ganz sanft geigte Gletscherebene in einer Ausdehnung von etwa 2 Kilometer im Umkreis. Wo sich der Gletscher am Westrande zum Schwarzensteingrund stärker abzudachen beginnt, bildeten sich naturgemäß seit jeher tiefe Spalten. Beim Aufstieg hatte Jörgl auf eine tiefe Spalte aufmerksam gemacht. Da der Schnee festgefroren war, hatte die Schneebrücke noch getragen. Nicht so auf dem Rückweg, als die Sonne den Schnee aufgeweicht hatte. Jörgl blieb zwar vor der Spalte mit der Bemerkung stehen: „Do mueß iats die Kluft kemmen“. Hartler machte trotzdem noch zwei Schritte an Jörgl vorbei und verschwand in der sehr tiefen Spalte. Er konnte nur mehr als Leiche geborgen werden.

Erstersteigung des Hochfeilers 1865
Bis zum Jahre 1865 hatte noch kein Bergsteiger den Hochfeiler betreten. – Gegen die Zillertaler Seite, das Schlegeistal, fällt das Hochfeiler Massiv sehr steil ab und fast alle Aufstiege sind schwierig, zum Teil sehr schwierig. Georg Samer ist sich schon auf seinen Wanderungen als Mineraliensammler im Pfitschertal über den leichtesten Aufstieg auf den höchsten Berg der Zillertaler Alpen klar geworden.

Als sich Paul Grohmann im Jahre 1865 entschloß, die Ersteigung des Hochfeilers mit Georg Samer zu versuchen, führte ich dieser über das Pfitscher Joch nach St. Jakob, nahm dort noch dem ihm bekannten Peter Fuchs als zweiten Führer mit und vollführte am 24. Juli 1865 die erste Ersteigung des Hochfeilers auf dem von der Wiener Hütte aus heute noch üblichen Wege.

Erstersteigung des Olperers 1867
Vor dem Jahre 1867 waren verschiedene Versuche namhafter Bergsteiger, den Olperer zu bezwingen, mißglückt. Erst in diesem Jahre gelang die erste Ersteigung dem späteren Dolomitenkletterer Paul Grohmann unter Führung von Georg Samer und Jakob Huber (Geiner Joggl) über den SO= Grat (Schneegupf), dem heutigen Anstieg von der Olperer Hütte.

Erste touristische Ersteigung des Turnerkamps 1872
Nachdem die erste Ersteigung des Turnerkamp über die Südseite von dem Bauern Johann Kirchler aus Luttach in den Sechzigerjahren erfolgt sein soll, vollführte die erste touristische Ersteigung von der Zillertaler Seite Georg Samer mit Gabriel Spechtenhauser als zweiten Führer mit drei Engländern, W. H. Hudson, E. Taylor und R. Pendlebury von der Waxeggalm über die Roßruckscharte und die SW= Flanke.

Erstersteigung des Großen Greiners 1873
Georg Samer hatte den Großen Greiner lange vor der Erstersteigung des Gipfels wegen des Reichtums an vielen wertvollen Mineralien dieses Berges von allen Seiten abgekraxelt und reiche Beute gemacht. Die erste Ersteigung des Gipfels mit K. und E Zöppritz im Jahre 1873 auf dem heute von Waxegg üblichen Wege war für ihn nur mehr so eine Art Firstfeier, wie er sagte.

Erstersteigung des Mösele 1877 vom Schwarzensteingrund
Nachdem der Große Mösele von Süden her schon 1865 erstiegen worden sei, erreichten Georg Samer mit Fr. Krischker und Dr. W. Fickeis vom Schwarzensteingrund aus 1877 erstmalig den Gipfel. Von der Erstersteigung des Schwarzenstein 1858 bis zur Ersteigung des Mösele 1877 verlief eine Zeit von 19 Jahren. Daraus ist ersichtlich, wie langsam sich der Alpinismus entwickelte.

3. Der Wilderer

Jörgl war inzwischen fast ein Fünfziger geworden, und er hat es wohl auch wegen seines vorgerückten Alters wie auch wegen seiner Vorliebe für die Mineraliensammlerei abgelehnt sich zum Bergführer autorisieren zu lassen. Er wollte frei von jeder anderen Beschäftigung den funkelnden Schätzen der Berge nachspüren können.

Im Winter beschäftigte sich Georg Samer mit der Herstellung der im Zillertal üblichen Ruckkörbe. Auch darin war er ein Meister. Seine Körbe waren gesucht wegen ihrer schönen Form und sauberen Ausführung. Die Bauern des oberen Zillertales nahmen den Joseler zum „Kerben“ sehr gern auf die Stör.

In seinem Alter erheiterte er sich gern bei einem Viertel Tiroler Wein in Gesellschaft froher junger Leute. Er dürfte schon den Achtziger überschritten haben, als er einmal zu später Stunde von Alt=Ginzling aus sich auf den Heimweg begeben wollte, aber seine Beine ihm den Dienst versagten.

Der zu allerlei aufgelegte „Schulhaus Honis“ wußte Rat. „Wort a bißl, Jörgl, i woaß öppas“, verschwand und brachte nach ein paar Minuten einen Hornschlitten mit einer Krötze darauf durch die Stubentür herein und lud Jörgl zum Einsteigen ein. Er war mit der Fahrgelegenheit einverstanden und lag mit Unterstützung etlicher Burschen bald in eine Decke gehüllt in der Krötze. Nach einer halben Stunde landete das sonderbare Fuhrwerk auf dem Raut in der Stube, wo Jörgl im Winter auf einer breiten Bank sein Nachtlager aufgeschlagen hatte. Auf der Fahrt in der kühlen Winterluft war Jörgls Weinstimmung merklich verraucht. Er bedauerte, den Burschen nichts aufwarten zu können, da er einmal gar nichts Rechtes mehr da habe. Wie sich die Burschen bemühten, den Schlitten mit der Krötze durch die Stubentür hinauszuzwängen, hörten sie ihn zu sich selbst sagen: „In ar Krötze hombt sie mich heut huam geliefacht, in ar Krötze, glei geh ich noch amol auß´n und selm eihar!“  Ihn, den Bezwinger der Berge seiner Heimat einen der besten Bergsteiger seiner Zeit, hat man wie gelegentlich ein geschlachtetes Schwein in einer Krötze heimgeliefert!? Das schien ihm nun, als die weinselige Stimmung zu verebben begann, völlig unfaßbar.

In jüngeren Jahren holte sich Georg Samer auch hie und da einen schönen Gemsbock. Weil sowohl die damaligen Jäger als auch den Wilderer schon längst der grüne Rasen deckt, seinen hier zwei Wildererstückln, die Jörg nur ganz wenigen anvertraute erzählt: Von Mayrhofen kam an einem Sonntag, eine Jagdgesellschafft nach Altbreitlahner und begann, wie es schon seit jeher bei solchen Gelegenheiten üblich war, schwer zu zechen. Jörgl, der zufällig anwesend war, machte eine Zeitlang mit. Alles war in kurzer Zeit volltrunken. Nur der schlaue Joseler, der sich in der Nähe einen schönen Gemsbock wußte, stellte sich besoffener, als er wirklich war. Als er merkte, daß seine Anwesenheit der Gesellschaft immer lästiger wurde, schwankte er zur Tür hinaus, holte den stutzen aus dem Versteck, schoß den Bock und brachte ihn in Sicherheit. Nach einiger Zeit begab er sich wieder zur Jagdgesellschaft und zechte mit ihr in etwas ausgenüchtertem Zustand weiter. Niemand von der Jagdgesellschaft hatte anscheinend den Schuß gehört oder irgendwie einen verdacht wegen Joselers Abwesenheit geschöpft.

Ein anders Mal waren ihm auf der Klausenalpe die Jäger hart auf den Fersen. In letzter Minute gelang es ihm noch, ungesehen hinter den Wasserfall unterzuschlüpfen. Durch den Wasserfall heraus sah er die Jäger auftauchen. Sie stutzten als sie das Gelände überblickten und konnten sich anscheinend nicht erklären, wohin der Wilderer verschwunden sein konnte.

Die heut im Dienst stehenden Jäger werden dem längst dahingeschiedenen Joseler wegen dieser abenteuerlichen Wilderergeschichten nicht gram sein, denn die älteren unter ihnen wissen, daß Jörgl in seinen reiferen Jahren nie mehr als Wilderer im Verdacht stand und in jeder Beziehung ein durchaus, noch für Jägerbegriffe, ein ehrlicher Mann war. In den letzten Jahren machten sich bei dem schon über 80 Jahre alten Georg Samer Herzbeschwerden bemerkbar. Der Sommer 1911 sollte der letzte seiner Sammeltätigkeit sein. 1912 mußte er zur Pflege in das Spital nach Zell gebracht werden. Dort starb er, 85 Jahre alt, am 12. November 1912 an seinem Herzleiden. Am 14. November wurde er auf dem dortigen Friedhof zur letzten Ruhe gebettet.

Mit Georg Samer schied ein Mann aus dem Leben, der sich um die Erschließung seiner heimatlichen Berge und um die Sammlung der mineralischen Bergschätze unvergängliche Verdienste erworben hat. In den gut 65 Jahren seiner Sammlertätigkeit bereicherte er nicht nur Museen und Sammlungen mit den verschiedenartigsten Mineralien, durch ihn sind auch viele Mineralien und deren Fundorte erst bekannt geworden. Sein Bild hängt in der Gaststube zu „Alt=Ginzling“.

Klar und hell an Geist und Herz, edel und unbeugsam an Charakter, ehrlich, friedlich und bieder ging dieser kühne Mann durchs Leben, und er würde es längst verdient haben, daß auf jenen Unterkunftshütten und jenen Gasthäusern des oberen Zillertal, wo die Wirtsleute noch etwas auf Tradition halten, eine Erinnerungstafel mit seinem Bild und den Daten seiner Erstbesteigungen angebracht würde.

Ein alter, ehemaliger Bergführer

Samer Georg
„vulgo – Joseler Jörgl od. Stuaklauber Joseler”
Wohnte im Haus Rauth (Kröll Franz) zuletzt Haus Waldner / Ginzling

Zillertaler Heimatstimme vom 30. Juli 1949 und der Folgenden
Auf den Artikel aufmerksam gemacht – durch Walter Ungerank, begeisterter Mineraloge und Freund der Zillertaler Alpen;

#365 Tage Freude am Berg