Zillertaler Bergführer
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Weil sie da sind

"Weil sie da sind" war die einfache und klare Antwort eines französischen Spitzenbergsteigers auf die Frage, warum er auf Berge steigt. Und sie waren lange vor uns da, „die Berge“. Sie waren immer dem Wandel unterworfen, mussten sich nicht anpassen.

Als vor 150 Jahren die meist städtischen Gründerväter der Alpenvereine die meisten Wege auf die Gipfel von Einheimischen gezeigt bekamen und glaubten, diese engagierten Führer der ersten Stunde und ihre Dienste bzw. ihr Wissen um die Gefahrenquellen der Natur nicht mehr zu brauchen, stellte man diese Männer und ihre Erwartungen an ein kleines Zubrot kurzerhand in die Ecke.

Aus den jungen Mitgliedern der neu entstandenen Alpenvereine kristallisierte sich die Bewegung der „Führerlosen“ heraus. Die ersten wagemutigen Bergsteiger, die ohne Begleitung eines Bergführers die Auseinandersetzung mit der Natur suchten. In der Folge beanspruchten die Alpenvereine die alleinige „Bergsportkompetenz“ für sich und schufen für ihre Mitglieder Ausbildungswege zum selbständigen Bergsteigen auf höchstem theoretischem Niveau.

Bereits 1881 erschien das Werk „Die Gefahren der Alpen“ von Emil Zsigmondy, einem der bedeutendsten Vertreter dieser „Führerlosen“ und im Zillertal kein Unbekannter. Gletscherschwund, Steinschlag, Wetter & Co, aber auch der Mensch mit seinen Schwächen im alpinen Gelände und den daraus resultierenden Gefahren waren damit zu Papier gebracht.

Heute, einige Jahrzehnte später, zeigt sich, dass "Lehrbuchbergsteigen" ohne entsprechendes eigenes Können zu wenig ist. Ja, die Natur hat sich verändert und sie wird sich weiter verändern, und zwar in einem Tempo, das bedrückend ist. Veränderung bedeutet im Gebirge Anpassung, im Laufe der Zeit - vom Hüttenaufstieg bis zur Gipfelbesteigung - waren immer wieder Anpassungen notwendig, immer wieder aufgefundene Markierungsreste zeugen davon. Veränderung ist ein natürlicher Bestandteil, um in der Natur bestehen zu können.

Diese klimatischen Veränderungen und die daraus resultierenden Folgen (Felsstürze auf steilen Gletschern, vermehrte Steinschläge im Allgemeinen usw.) werden von den aktiven Bergführern ständig beobachtet. Die Anpassung der Aufstiege zum Wohle und zur Sicherheit der Gäste ist eine seit Jahren gepflegte Praxis. Nur so ist es möglich, in einem Sommer, der von verstärkter Ausaperung und Gletscherrückgang geprägt ist, sichere und schöne Bergerlebnisse mit den Gästen in den Zillertaler Alpen zu haben.

Leider hörte man heuer viel zu oft: „Es ist beängstigend“, „zu viel Steinschlag“, „DER BERG IST GESPERRT“ oder: “Wie die Gletscher nur aussehen“. Meist von den im Tal Gebliebenen. Dass der Mensch durch sein jahrzehntelanges Wirken für den Großteil dieser Prozesse mitverantwortlich ist, kommt niemandem in den Sinn.

Eines hat die letzten Sommer auch uns Bergführern gezeigt. So wie nicht alles für Geld zu haben ist, so ist auch mit viel Können und bester Ausrüstung nicht mehr alles sicher zu besteigen. Akzeptieren wir also die Veränderungen in der Natur und erfreuen wir uns an den verbleibenden schönen, veränderten Bergen mit ihren traumhaften Anstiegen. Und noch etwas: Veränderungen erfordern auch weiterhin Anpassung und Kreativität, um sicher in den Bergen unterwegs zu sein. Hören wir aber auf, unsere Berge schlecht zu reden, sie sind nicht nur Spielplatz, sondern auch Arbeitsplatz, und vor allem tragen sie die geringste Schuld an den stattfindenden Veränderungen.

#365 Tage Freude am Berg